Was ist Zauberkunst?
Die Zauberkunst beschreibt eine Form der darstellenden Kunst, die es versteht, durch künstlerische Kommunikation (verbal und non-verbal) und unter Verwendung verschiedener Techniken und Methoden Illusionen in den Köpfen der Betrachter und Gefühle in den Herzen der Menschen auszulösen. Sie dient der Unterhaltung, ist nicht übersinnlich und hat keine betrügerischen Absichten. Natur- und Denkgesetze werden mit den Mitteln der Täuschung scheinbar außer Kraft gesetzt. Zaubern zu Unterhaltungszwecken ist ein komplexer Vorgang, der die Möglichkeiten der Wirklichkeit überstiegt. Zaubern kann auch als Wissenschaft vom rationalen Umgang mit dem Irrationalen bezeichnet werden.
Was ist daran Kunst?
Zaubern wird dann zur Kunst, wenn es um freie schöpferische Gestaltung der Eindrücke, Erfahrungen und Erlebnisse des Künstlers geht. Wenn jemand die Noten zu einer Sinfonie besitzt, kennt er alle „Geheimnisse“ des Stückes. Er kann es aber trotzdem nicht automatisch nachmachen. Nach etwas Übung ist man in der Lage, einfache Klavierstücke zu spielen. Zur Virtuosität eines Pianisten fehlt aber immer noch sehr viel. Genauso verhält es sich auch mit der Zauberkunst.
Wie kann man diese Kunst am besten genießen?
Natürlich kann man sich Zaubershows im Fernsehen oder im Internet ansehen. Es ist aber unbestritten, dass eine Live-Vorführung das deutlich größere Erlebnis ist, wenn nicht gar die einzig passende Form. Dabei gibt es im Wesentlichen zwei Arten von Zuschauern: diejenigen, die eine Zaubershow als Rätsel auffassen und versuchen, die Geheimnisse zu ergründen und die, welche sich durch Illusionen und Inszenierung unterhalten und verzaubern lassen wollen. Wenn man erst das Geheimnis eines Kunststückes kennt, hat man normalerweise nicht mehr die gleiche Freude beim Betrachten.
Seit wann wird gezaubert?
Die Zauberkunst blickt auf eine sehr lange Geschichte zurück. Bereits ca. 2500 v. Chr. berichtet ein Papyrus vom Zauberer Dedi berichtet, der am Hof von König Cheops Zauberkunststücke zeigt. 1584 veröffentlicht der englische Edelmann Reginald Scot das Buch „The Discoverie of Witchcraft“. Dort beschreibt jemand zum ersten Mal in englischer Sprache detailliert Zauberkunststücke . Es ging aber nicht um Unterhaltung sondern um Volksaufklärung, die letztendlich die Hexenprozesse beenden sollte, da die Menschen in allem, was sie nicht verstanden, Teufelswerk erblickten. Erste Beschreibungen von Zauberkunststücken mit Spielkarten zu Unterhaltungszwecken datieren auf 1593. Das erste Zauberbuch im heutigen Sinne (Hocus Pocus Junior: The Anatomie of Legerdemain) erscheint 1634 in London und wurde von Eias Piluland geschrieben. Es wurde 1667 ins Deutsche übersetzt. Von Zauberkunst spricht man erst seit dem 18. Jahrhundert. Die Kunst des Taschenspiels, benannt nach der Gauklertasche zur Aufbewahrung der Requisiten, wurde bereits auf hellenistischen Marktplätzen beobachtet. Um 1790 erwähnt ein Katalog von Bestelmeier zum ersten Mal einen Zauberkasten.
Wie entwickelte sich die Zauberkunst weiter?
Bartolomeo Bosco gilt um 1830 als einer der ersten wahren Taschenspieler, der seine Zuschauer nicht betrügerisch täuschen, sondern unterhalten will. Traten die ersten Zauberkünstler (Taschenspieler) noch auf Straßen und Märkten auf, eroberten sie im Laufe der Zeit geschlossene Räumlichkeiten wie Gaststätten und private Salons und schließlich auch Theaterbühnen. Einer der bis heute bekanntesten Zauberkünstler der Geschichte war Harry Houdini. Mit seinen Entfesselungsstunts wurde er ab 1900 in Europa und ab 1906 in Nordamerika berühmt. Der erste Zauberverein war der Magic Circle London, der 1905 gegründet wurde. 1912 wurde in Hamburg der Magische Zirkel von Deutschland (MZvD, inzwischen ca. 2800 Mitglieder in über 80 Ortszirkeln) gegründet. Das Fernsehen entdeckt die Zauberkunst ab 1950. In Deutschland wird als erster der Zauberkünstler Punx mit rund 40 Folgen bekannt. Auffällig ist, dass es bis heute leider nur sehr wenige zaubernde Frauen gab und gibt, was vielerlei Gründe haben mag. Eine Bereicherung der Szene wäre es aber allemal. Eine Reihe spezialisierter Sammler und Historiker beschäftigt sich intensiv mit der wissenschaftlichen Erforschung der Magie-Geschichte.
Kann man Zauberkunst bewerten?
Ähnlich wie in der Musik gibt es auch in der Zauberkunst Wettbewerbe, in denen die Teilnehmer von einer Fachjury nach einem definierten Punktesystem bewertet werden. Diese werden aktuell in einem Drei-Jahres-Rhythmus durchgeführt. Im ersten Jahr veranstaltet der MZvD in mehreren Orten die Vorentscheidungen zur Deutschen Meisterschaft. Im folgenden Jahr dürfen die Bestplatzierten an den Deutschen Meisterschaften teilnehmen. Die Sieger davon qualifizieren sich zur Teilnahme an den World Championships of Magic, die wiederum ein Jahr später die FISM (Fédération Internationale des Sociétés Magiques) als der internationale Dachverband der Zauberkunst ausrichtet. Die FISM wurde 1948 gegründet und hat ca. 60.000 Mitglieder in 6 Regionen. Die Verteilung der Mitgliedsorganisationen auf die Regionen ist recht unterschiedlich. Anders als in Deutschland gibt es viele Länder mit mehreren Mitgliedsvereinen. In Europa gibt es 49 Mitgliedsorganisationen, in Asien 12, in Lateinamerika 18, in Nordamerika gibt es Kanada und die 3 US-Organisationen SAM, IBM und Academy of Magical Arts, in Afrika 2 Vereine aus Südafrika und zu Ozeanien gehört Australien. Bei den Weltmeisterschaften werden neben den Spartensiegern mit dem Grand-Prix-Gewinner ein bzw. seit 2003 zwei Gesamtweltmeister in den Sparten Close-up-Magie und Bühnenmagie gekürt. Es muss allerdings angemerkt werden, dass Künstler, die nicht mit Preisen dekoriert sind, nicht zwangsläufig schlechter sind. Die Bewertung der Jury ist zum einen subjektiv, zum anderen nehmen viele durch die Beschränkungen des Wettbewerbsreglements wie ein vorgegebenes Zeitlimit oder Zaubern vor Fachleuten, die anders reagieren als normale Zuschauer gar nicht erst daran teil. Oft sind für Wettbewerbe konzipierte Nummern im Zauberalltag nicht einsetzbar. Insofern relativieren sich auch die erhaltenen Preise etwas.
Welche Arten von Zauberkunst gibt es?
Damit sind wir bei den verschiedenen Sparten angelangt. Im Bereich der Bühnenmagie werden bei Wettbewerben folgende fünf Sparten unterschieden: Manipulation, Großillusionen, Comedy-Magie, Mentalmagie und Allgemeine Magie. Zur Close-up-Magie gehören Kartenzauberkunst, Tischzauberkunst und Salonmagie. Manipulation beruht im Wesentlichen auf Fingerfertigkeit. Bei den Großillusionen werden sehr große Requisiten verwendet und oft spielen mehrere Personen und/oder Tiere eine Rolle. Zu deren Vertretern gehören bekannte Magier wie David Copperfield, Siegfried & Roy, Hans Klok und die Ehrlich Brothers. Comedy-Magie ist hauptsächlich eine Comedy-Nummer, bei der das Publikum zum Lachen gebracht wird und bei der nur „nebenbei“ Zauberkunst präsentiert wird. Die in letzten Jahren sehr populär gewordene Mentalmagie umfasst Demonstrationen von scheinbar übersinnlichen oder übernatürlichen Geisteskräften. Dazu gehören Gedankenlesen, Hellsehen, Vorausahnungen, Telekinese, Supergedächtnis, Schnellrechnen und Simulationen von medial-okkulten Phänomenen. Allgemeine Magie ist eine Mischform von verschiedenen der aufgeführten Sparten mit Requisiten, die normalerweise kleiner als die von Großillusionen sind. Die meisten Kunststücke wurden wahrscheinlich im Bereich der Kartenzauberkunst erdacht, weshalb sie eine eigene Sparte darstellt. Sie befasst sich ausschließlich mit Spielkarten-Effekten. Obwohl Spielkarten bei der Tischzauberkunst nicht ausgeschlossen sind, umfasst diese Sparte allgemein kleinere Objekte. Die Salonmagie oder auch Stand-up-Magic schließlich ist von der Größe her zwischen Close-up- und Bühnenmagie angesiedelt. Sie und wird vor einer Gruppe von Zuschauern in mäßig großen Zimmern vorgeführt. Neben diesen „offiziellen“ Sparten gibt es noch viele andere wie die Straßenzauberkunst, Zauberkunst für Kinder, Sensationsdarbietungen wie beispielsweise Entfesselungskunst, Falschspieler-Demonstrationen, Bühnen-Taschendiebstahl, Quickchange oder Gospelmagic. Eine Gruppe, von der sich die Zauberkünstler im Allgemeinen distanzieren, sind Scharlatane wie Uri Geller, die sich zwar der Methoden der Zauberkunst bedienen, aber diese abstreiten bzw. verheimlichen.
Wie funktioniert die Illusion?
Es fielen bereits die Begriffe Effekt und Methode. Die folgenden Erläuterungen sollen dazu etwas Klarheit bringen. Der Effekt ist das, was der Zuschauer wahrnimmt. Es gibt nur eine sehr begrenzte Anzahl an Grundeffekten. Dazu gehören erscheinen, verschwinden, wandern, verwandeln, durchdringen, Zerstörtes wiederherstellen, geistige oder körperliche außergewöhnliche Fähigkeiten, Telekinese, außersinnliche Wahrnehmung (hellsehen, Gedanken lesen, voraussagen, geistige Beeinflussung), schweben und Unverwundbarkeit. Im Gegensatz zum Effekt ist die Methode das, was tatsächlich passiert und von der der Zuschauer im Idealfall nichts mitbekommt. Die Anzahl der Methoden ist unbegrenzt und ständig werden bestehende weiterentwickelt und manchmal auch komplett neue erfunden. Dazu gehören z.B. Psychologie, Ausnutzung von Wahrnehmungslücken, Kunstgriffe, optische Täuschungen, trickreiche Apparaturen oder Ausnutzung gemeinhin unbekannter physikalischer Zusammenhänge und mathematischer Gesetze. Oft kombiniert der Zauberkünstler auch mehrere Methoden miteinander, was die Täuschung erhöht. Da jedes Mitglied im Magischen Zirkel verpflichtet ist, die Geheimnisse zu bewahren, soll hier nicht auf weitere Details eingegangen werden. Andrerseits ist heutzutage das Geheimnis natürlich deutlich weniger wichtig als in der Vergangenheit, da man beispielsweise über das Internet nahezu alle Erklärungen finden kann. Das wahre Geheimnis ist die kunstvolle Präsentation, welche aus einem Trick ein Kunststück werden lässt.
Warum wird der Zuschauer getäuscht?
Oft hört man in diesem Zusammenhang, dass der Zauberkünstler die Zuschauer ablenkt. Das stimmt nur zum Teil, denn tatsächlich geht es um die Lenkung der Aufmerksamkeit durch Neuheit, Bewegung, Kontrast, Augen, Stimme, Körpersprache und externe Quellen. Außerdem werden die Richtung und der Zeitpunkt der Zuschauerblicke gezielt gelenkt. Durch Natürlichkeit, Begründung für bestimmte Vorgehensweisen und innere Überzeugung kann der Vorführende beim Publikum den Verdacht verringern, dass verborgene Dinge geschehen. Und schließlich kann der Verdacht des Publikums durch falsche Lösungen und Erwartungen in die falsche Richtung gelenkt werden. Ebenso wie die Aufmerksamkeit kann auch die Erinnerung der Zuschauer an die gesehenen Zauberkunststücke gelenkt werden. Das kann erfolgen, wenn die Methode nicht wahrgenommen wird, wenn der wissenschaftliche oder zaubertechnische Hintergrund beim Zuschauer fehlt oder wenn der Zuschauer auf die korrekte Methode kommt und diese wieder ausscheiden lässt, z.B. weil sie unwahrscheinlich ist. All diese Themen werden unter dem Stichwort Misdirection zusammengefasst. Als Resümee kann man festhalten: Ein Zauberer ist dann erfolgreich, wenn die Lücke zwischen dem, was tatsächlich passiert (Methode) und dem, was der Zuschauer wahrnimmt (Effekt) ausreichend ist, um die richtige Rekonstruktion des Ereignisses zu verhindern. Je einfacher und natürlicher die Bewegungen des Vorführenden, umso weniger wahrscheinlich ist es, dass der Zuschauer den Trick entdecken wird.
Wie wird eine Zauberdarbietung vorbereitet?
Eine (für Fachleute) erfolgreiche Zauberdarbietung muss originell sein in den Effekten, Techniken und Präsentationen, tricktechnisch perfekt umgesetzt und unterhaltend vorgeführt werden. Ausserdem muss die Nummer eine magische Atmosphäre schaffen, die Figur des Zauberkünstlers muss stimmig sein und er muss gegen den Strom schwimmen, das heißt anders als andere sein. Die Bausteine dafür sind Kleidung, Bühnenbild, Dekoration, Musik, Vortrag (lustig, spannend oder erklärend), Requisiten, Effekte, Plot und Focus. Der Effekt ist wichtiger als die Methode. Er muss einfach, klar, visuell, undurchschaubar, überraschend, sensationell, vom Zuschauer mit eigenen Worten erzählbar und emotional berührend sein.
Wie kann sich der Künstler verbessern?
Um das zu erreichen, gibt es verschiedene Möglichkeiten. Ganz entscheidend ist es natürlich, jedes Detail der Vorführung gründlich und ausdauernd zu üben. Über theoretische Hintergründe muss man sich ebenfalls gut informieren. Es gibt mehrere Quellen zur Weiterbildung. Ein großer Vorteil ist es, sich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Zaubervereine wie der Magische Zirkel von Deutschland mit seinen Ortszirkeln in vielen Städten bieten die Möglichkeit dazu. Voraussetzung für die Mitgliedschaft ist eine bestandene theoretische und praktische Aufnahmeprüfung. Der MZvD veranstaltet Kongresse, die bereits erwähnten Wettbewerbe, Seminare, Workshops (auch spezielle Jugendworkshops) und Zauberbörsen. In Zauberschulen kann man sich ebenfalls erste Kenntnisse erwerben. Eine aktuelle Quelle für Neuigkeiten und Fachwissen bieten neben dem Internet Fachzeitschriften. Die „Magie“ als Zeitschrift des MZvD wird seit 1918 herausgegeben. Als größte deutsche vereinsunabhängige Zeitschrift gilt die „Magische Welt“, die seit 1952 erscheint. Daneben gibt es eine Reihe weiterer deutscher und internationaler Zeitschriften. Eine stark unterschätzte Weiterbildungsmöglichkeit sind Zauberfachbücher, die es in unüberschaubarer Vielfalt gibt. Jährlich erscheinen weltweit hunderte Neuausgaben. Der MZvD unterhält eine eigene Bibliothek, die den Mitgliedern kostenlos zur Verfügung steht. Requisiten und alle Arten von Zubehör kann man entweder selbst anfertigen oder im Zauberfachhandel, den es in Deutschland seit 1867 gibt, erwerben. Dort erhält man beispielsweise auch eine Vielzahl von DVDs, auf denen Experten Kunststücke erklären.
Welche Bereiche müssen noch beachtet werden?
Abschließend bleibt noch zu erwähnen, dass man sich als ernsthafter Zauberkünstler auch mit diversen Randgebieten der Zauberkunst beschäftigen sollte wie Menschenkenntnis, Musik, Wortwitz, Rhetorik, Beleuchtung, Schauspiel, Pantomime, Tanz, Regie, Requisitenbau, Licht- und Tontechnik, Fantasie, Marketing, Kreativitätstechniken, Fingerfertigkeit und Psychologie. Die Verknüpfung so vieler verschiedener Teilbereiche macht die Zauberkunst unter allen Künsten einzigartig. In diesem Sinne wünsche ich allen an Zauberkunst interessierten Lesern viel Spaß bei der nächsten Zaubershow oder sogar beim eigenen Ausprobieren.